Was haben Autokennzeichen und chinesische Schwarze Tees gemeinsam?
- Liyang Sheng

- vor 5 Tagen
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Die – fast systematische und etwas komplizierte – Nomenklatur der Schwarzen Tees, erklärt von Liyang Sheng, unserer t-Kolumnistin

Wer chinesischen grünen Tee kauft, mag vielleicht schon über die Vielzahl von blumigen Namen und Bezeichnungen gestolpert sein, von long jing ("Drachenbrunnen") über bi luo chun ("Frühlings-Jadeschnecke") bis hin zu tai ping hou kui ("Friedens-Affenhäuptling"). Puerh-Liebhaber kennen die Zuordnung des Tees nach Teedorf oder -region: Yiwu, Mengku, Youle, Nannuoshan, Laobanzhang usw.
Und Schwarzer Tee?
Unser geliebter Schwarzer Tee wird in China als 红茶 hong cha (roter Tee) bezeichnet. [Einen Schwarzen Tee gibt es auch, dazu aber an anderer Stelle mehr.] Die Silbe hong kommt folglich in vielen Namensbezeichnungen vor. Im Grunde genommen folgt die Nomenklatur der schwarzen Tees folgendem Prinzip: erste Silbe als Indikator für die Herkunft (meist Ursprungsprovinz) + zweite Silbe hong.
Nehmen wir zum Beispiel den beliebten schwarzen Tee aus Yunnan: 滇红 dian hong. Hong haben wir bereits erklärt, das ist quasi die Kurzform von hong cha ("roter Tee"=Schwarzer Tee). Die erste Silbe dian schauen wir uns nun genauer an.
In der chinesischen Sprache benutzt man gerne Abkürzungen. Wir kürzt man Schriftzeichen ab? Eine Variante haben wir bereits kennengelernt. Von zwei Silben wird einfach eine weggelassen. Statt hong cha "roter Tee" schreibt man einfach "rot". Dies ist vor allem dann der Fall, wenn noch ein weiteres beschreibendes Wort dazukommt. In diesem Fall wollen wir sagen, dass wir einen schwarzen Tee aus Yunnan haben. Also einen Yunnan hong cha. Die letzten beiden Silben wurden bereits in eine abgekürzt. Aus Symmetriegründen müssen die ersten beiden Silben nun ebenfalls abgekürzt. Aus yun nan wird dian. Warum dian?! Warum nicht 云 yun oder 南 nan?
Tja. Für jede der chinesischen Provinzen, selbstverwalteten Städte und Gebiete gibt es eine oder mehrere abgekürzte, einsilbige Bezeichnung. Manche sind aus dem Namen abgeleitet, wie zum Beispiel 川 chuan für 四川 Sichuan. Manche sind historische Bezeichnungen. Manche sind einfach alternative Bezeichnungen, wenn man den Namen mit einer Silbe ausdrücken möchte.
Nehmen wir zum Beispiel die deutschen Autokennzeichen. Manche Abkürzungen sind eindeutig ableitbar, so wie B für Berlin oder M für München, andere sind auch nicht offensichtlich, so wie FLÖ für Mittelsachsen oder GC für Zwickau. Britische Autokennzeichen haben ebenfalls einen zweibuchstäbigen Code für die Region, in der das Auto zugelassen wurde. In China steht auf den Nummernschildern eben eine einsilbige Kennzeichnung der Provinz,. Ein Auto aus Sichuan hat demnach die Kennzeichnung 川 chuan. Ein schwarzer Tee aus Sichuan wird als 川红 chuan hong bezeichnet, so schließt sich nun endlich der Kreis.
Und wie sieht es aus mit den beliebten Schwarzen Tees aus Fujian, dem Geburtsort des Schwarzen Tees? Die, die keinen anderen Namen haben, werden als 闽红 min hong-Tees zusammengefasst. Min ist, wie ihr vielleicht schon gedacht habt, die einsilbige Bezeichnung für Fujian, und findet sich ebenfalls auf deren Autokennzeichen.
Schwarze Tees aus Hubei werden 宜红 yi hong genannt, schwarze Tees aus Hunan hu hong, 湖红, aus Zhejiang 越红 yue hong und aus Jiangxi 宁红 ning hong. Die erste Silbe indiziert jeweils die Herkunft, die zweite zeigt an, dass es sich um schwarzen Tee handelt. (Der Vollständigkeit halber möchte ich nur anmerken, dass bei den aufgezählten Tees die Silben der Herkunft leider nicht mit den Abkürzungen der Autokennzeichen übereinstimmen. Manchmal gibt es einfach mehrere Abkürzungen.)
Aber was ist mit Keemun/Qimen-Tee, dem berühmten Tee aus Anhui, der sich früher im English Breakfast Tea fand und sich dadurch einen Namen gemacht hat? 祁门 Qimen, die Stadt, die dem Tee seinen Namen gab, liegt in der chinesischen Provinz Anhui. Die Abkürzung für Anhui ist 皖 wan. Folglich müsste dieser Tee als 皖红 wan hong bezeichnet werden. Tatsächlich findet man diese Bezeichnung nur äußerst selten. Das liegt vermutlich daran, dass Anhui sonst eher grüne Tees produziert. Der schwarze Qimen-Tee ist so berühmt, dass er quasi mit einem Anhui hong cha gleichzusetzen ist. Die gängige Abkürzung lautet tatsächlich 祁红 qi hong, für qi men hong cha.
Andere Tees benutzen (Fantasie-)Eigennamen - so wie die erwähnten grünen Tees vom Anfang - wenn sie sich so besser vermarkten lassen. Ein spezieller Tee aus Fujian hat zum Beispiel den Namen zheng shan xiao zhong, besser bekannt hierzulande als Lapsang Souchong, benannt nach dem verwendetem Kultivar. Ein weiterer bekannter Tee aus derselben Provinz verkauft sich seit Jahren bestens unter dem Namen Jin Jun Mei - "goldene Pferde-Augenbraue".
Vollkommen verwirrt? Macht nichts, unten ist noch eine kleine Tabelle zum Nachschauen.
PS: Die Autokennzeichen aus Yunnan benutzen aber tatsächlich einfach die erste Silbe 云 yun. Tja.
Bezeichnungen für chinesische Schwarze Tees nach Region:
福建 Fujian 安徽 Anhui 云南 Yunnan 四川 Sichuan 江西 Jiangxi 湖北 Hubei 湖南 Hunan 浙江 Zhejiang | 闽红 min hong 祁红 qi hong 滇红 dian hong 川红 chuan hong 宁红 ning hong 宜红 yi hong 湖红 hu hong 越红 yue hong |
Mehr zu Liyang Sheng gibt es auf ihrer Webseite www.teeregen.de oder bei Instagram: @teeregen . Auf der Webseite kann man auch Produkte wie die Postkarten bestellen.


