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Wie macht man Tee am besten?

Wie lange, wie heiß? Was es bedeutet, einen guten Tee zu machen, erklärt Liyang Sheng, unsere t-Kolumnistin

Zeichnung
Illustration von Liyang Sheng, @teeregen

Oft werde ich gefragt, wie genau ich Tee zubereite: wieviel Gramm ich bei welcher Temperatur für wie lange aufgieße. Diese Frage ist für mich gar nicht so leicht zu beantworten. Erstens kommt es sehr auf den Tee an, zweitens koche ich (Tee) am liebsten nach Augenmaß.

 

In meiner Studentenzeit habe ich oft meine Mutter nach chinesischen Rezepten gefragt: „Wieviel von der Zutat?“ „Etwas“, hieß es dann. Oft bekam ich auch zu hören: „Wenn du zu viel Mehl genommen hast, gib Wasser hinzu. Wenn du zu viel Wasser genommen hast, gib Mehl hinzu.“

 

Ich habe das Gefühl, hierzulande hätte man für Vieles am liebsten eine Anleitung wie für ein Chemieexperiment, mit genauen Gramm- und Temperaturangaben. In China gilt eher das Prinzip „Cha bu duo“ – heißt wörtlich „fehlt nicht viel“ und bedeutet „ungefähr“ oder „Pi mal Daumen“.

 

Warum das so ist, lässt sich vielleicht auch mit einem Prinzip aus dem Daoismus erklären. „Wuwei“ - das aktive Passivsein. Wuwei besagt, dass man Dinge einfach geschehen lässt, ohne sie zu sehr in eine vorher festgelegte Form pressen zu wollen. Es ist ein Reagieren auf den Verlauf der Dinge (und eine andere Bedeutung des Wortes Wuwei, als ich sie einmal in Ausgabe 5 des t-Magazins ausführlich beschrieben habe).

 

Das Schöne am Gongfucha ist ja, dass wir einen Prozess beim Tee trinken verfolgen: Vom Betrachten der Blätter bis zum Befüllen der Kanne, Beurteilen der Farbe und des Geschmacks, bis hin zum Vergleich der hintereinander folgenden Aufgüsse. Man hat also bei jedem Schritt Gelegenheit, aufmerksam zu sein und auf den Tee zu reagieren.

 

So zelebrieren wir die Vielfalt der Teewelt. Die bezieht sich nicht nur auf die Sorten an sich, sondern auch auf jede Saison, jede einzelne Produktion und eben auf jede Teesitzung. Jeder Umstand des Trinkens ist unterschiedlich, von daher ist auch zu erwarten, dass jede Erfahrung unterschiedlich ist. Ein großer Kontrast zum Kauf einer Flasche Cola, wo wir ein konstant gleichbleibendes Ergebnis erwarten und einfordern.

 

Beim Tee aber können wir durch aufmerksames Beobachten alles flexibel anpassen: Sind die Blätter sehr fein, nehme ich kühleres Wasser; sind es fest gerollt, erhöhe ich die Temperatur. Wünsche ich mir gerade einen stärkeren Tee, lasse ich ihn etwas länger ziehen. „Wuwei“ schließt auch die Akzeptanz der Varianz ein. Manchmal ist der Tee eben bitter, dann akzeptiere ich das.

 

Mit der Zeit sammelt man Erfahrung und lernt die Tees besser kennen, entwickelt eigene Vorlieben. Fragt man drei Teetrinker, bekommt man fünf Aufbrühmethoden präsentiert. Bereitet jemand anderes den Tee zu, ist man oft erstaunt, wie anders der Tee schmecken kann, als wenn man ihn selbst zubereitet. Eine japanische Teemeisterin hat mal zu mir gesagt, dass sie generell ungern Ratschläge zur Wassertemperatur und Ziehzeit gibt, denn „jeder macht es sowieso so, wie er/sie will!“

 

Natürlich ist es aber gerade zu Beginn der Teereise und bei unbekannten Tees sehr hilfreich, Anhaltspunkte zu haben. Mit diesem Startpunkt kann man danach dann auf eigene Reise gehen. Die Hauptsache ist schließlich, dass man seine Tasse genießen kann.

 

Einen guten Artikel zu Wuwei findet man auf https://www.kyarazen.com/wabi-sabi-concept-wu-wei/

 

Mehr zu Liyang Sheng gibt es auf ihrer Webseite www.teeregen.de oder bei Instagram: @teeregen . Auf der Webseite kann man auch Produkte wie die Postkarten bestellen.


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