Was ist ein Teetisch?
- Liyang Sheng
- 7. Juni
- 3 Min. Lesezeit
Wie man sich zuhause seinen ganz eigenen Teetisch erschaffen kann, erklärt Liyang Sheng, unsere t-Kolumnistin

Tee trinken beginnt bereits vor dem Akt des Trinkens an sich. An welchem Ort wir Tee trinken trägt viel zur Stimmung und zu unserem Wohlbefinden bei. Man sagt so schön: „Das Auge isst mit“. Das Auge „trinkt“ auch mit, schweift über das sorgfältig ausgewählte Tuch, auf dem unsere Utensilien ruhen. Fällt auf die passend zum Tee gewählte Tonkanne und unsere Lieblingstasse. Ruht auf dem kleinen Urlaubsmitbringsel, einem Kiesel vom Strand, der als Dekoration dient.
Klar, im Alltag muss es auch mal die schnelle Variante sein, aber es kann ein schönes Ritual sein, sich Zeit zu nehmen und den Teetisch sorgsam vorzubereiten, passend zur Jahreszeit, zur Stimmung und zum Tee.
In Japan zum Beispiel wird sehr viel Wert auf das Einrichten des Teeraums und insbesondere der Teenische „Tokonoma“ gelegt. Die Schriftrolle und das Blumenarrangement in der Nische wechseln je nach Jahreszeit und Anlass. Auch das Geschirr wird mit Bedacht gewählt, je nach Zeit hellere oder dunklere Farben, vielleicht ein Dekor mit saisonalen Pflanzen.
Daran angelehnt entwickelte sich in Taiwan die sogenannte „Kunst des Tees“ – cha yi. Wie ein Gesamtkunstwerk geht es hier um mehr als den Tee an sich. Tee als Kunstform ist hier auch eine Suche nach Identität.

So ist im unserem kleinen Rahmen der Teeraum eine Reflektion unserer Identität. Je länger man Tee trinkt, desto mehr kann es passieren, dass ein ganzer Raum sich immer mehr dem Tee widmet, von Kalligraphien und Bildern an der Wand hin zum chinesischen Holzschrank bis zum Bücherregal voller Teeliteratur. Die Einrichtung ist natürlich Geschmackssache und damit höchst persönlich. Auch unser präferierter Tee und der Stil unseres Geschirrs ist fast schon so spezifisch und individuell wie ein Fingerabdruck. Rustikale Keramik oder fein bemaltes Porzellan, was darf es sein?
Mein Teetisch beginnt mit dem cha bu, einer Unterlage aus Stoff. Viele habe ich selbst genäht (Tutorial findet ihr auf meiner Webseite). Zu Festtagen darf es das Tuch mit dem schönen satten Rotton sein, zur Entspannung das sanfte salbeigrüne. Dann die Frage: Teeboot oder eher einzelne Inseln mit Untersetzern? Teekanne oder Gaiwan? Welche Teetasse passt dazu? Wie viele Leute trinken mit mir Tee? Kann ich den Tee sehr oft aufgießen?
Viele Dinge in meiner Sammlung haben eine Geschichte. Einige habe ich auf dem Flohmarkt gefunden, einige sind Souvenirs von Reisen, etwa aus China, Japan, Taiwan oder Australien. Jedes Teetrinken mit ihnen weckt auch Erinnerungen an die Orte, die ich besucht habe. Besonders sind auch Geschenke von Freunden, zum Beispiel eine selbst getöpferte Tasse einer Freundin.

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Punkt sind Accessoires. Viele kennen wahrscheinlich den chinesischen Brauch, ein kleines Tontierchen, das man mit Tee „füttert“. Mit der Zeit verändert sich die Farbe der Figur, das Tierchen zeichnet so die vielen vergangenen Teesitzungen auf.
Man kann auch einen Trick aus der chinesischen Gartenarchitektur nehmen. Im berühmten Yu Garten in Suzhou sind die wuchtigen, von Löchern übersäten Steine eine Anspielung auf mächtige Felslandschaften. Mit der Tradition des Bonsai versucht man, die wilde Natur in seinen Garten zu holen. So können auch ein schöner Kiesel und ein gesammelter Zweig schöne Symbole für eine Landschaft sein. Gleichzeitig denkt man gerne wieder an den Spaziergang zurück und fühlt sich wieder dorthin zurückversetzt.
Der Fantasie sind eigentlich keine Grenzen gesetzt. Ich traf in Berlin einmal eine Teemeisterin aus Taiwan, auf deren Tisch ein bronzenes Riegelschloss vom Flohmarkt lag. Sie fand die Farbe und Form interessant und benutzte ihn als Ablage für ihre Utensilien.
Wie sieht euer Teetisch aus? Wie wählt ihr euer Geschirr aus? Ich hoffe, ich habe euch etwas Inspiration mit auf den Weg gegeben, euren Teetisch noch mehr zu eurem ganz eigenen Raum zu machen.
Mehr zu Liyang Sheng gibt es auf ihrer Webseite www.teeregen.de oder bei Instagram: @teeregen . Auf der Webseite kann man auch Produkte wie die Postkarten bestellen.